JULIA MINDERMANN | Potenzialentfaltung & Visionsentwicklung

Ich schrecke hoch. Draußen ist es noch dunkel und mein Herz klopft wie wild. Ich habe geträumt und obwohl ich jetzt hellwach bin, spüre ich noch immer die Angst und den Schmerz. Dabei hatte der Traum so schön und harmlos begonnen: Es ist früher Morgen und ich bin mit meiner Freundin in ihrem Laden, um sie an diesem Tag im Verkauf zu unterstützen. Es ist noch nichts los und ich genieße das friedliche miteinander Arbeiten. Die Ruhe tut gut. Während wir so vor uns hin werkeln und uns unterhalten, ist mit einem Mal der Laden voller Menschen. Die friedliche Stimmung von eben ist verflogen. Hektische Betriebsamkeit macht sich breit. Der Laden summt und ist erfüllt von Stimmengewirr. Ich tue, was ich immer tue. Ich reagiere, wie ich in solchen Situationen immer reagiere – auf die Energien, Launen und Wünsche anderer Menschen. Ich spule mein Programm ab, das mich als introvertierte und hochsensible Frau in einem solchen Meer aus Energien und Launen sein lässt. Ein nettes Wort hier, ein Lächeln dort, ein kleiner Scherz…eine gute Strategie, um niemanden zu nah an mich ranzulassen. Doch irgendetwas ist dieses Mal anders. Ich spüre es, ehe ich weiß was es ist. Aus der Masse der Menschen erhebt sich plötzlich ein tiefes Brüllen – wie von einem verwundeten Tier. Da ist plötzlich eine Frau mit einem Loch in ihrer Brust. Sie brüllt und ich spüre ihren Schmerz fast körperlich. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich habe für diesen unermesslich tiefen Schmerz kein „Gefühle-Abwehrprogramm“ parat. Die anderen versuchen, der Frau zu helfen. Doch sie schüttelt alle ab und kommt auf mich zu. Ich erschrecke fürchterlich. Ich habe solche Angst vor dem Schmerz dieser Frau, dass ich fliehe. Ich laufe davon – durch den Laden, durch’s Lager, springe aus dem Fenster in den Hinterhof und renne die menschenleere Straße hinab. Ich renne, renne, renne, bis ich die Frau schon längst nicht mehr hören kann. Doch der Ton ihres Schmerzes hämmert bei jedem Schritt in meinem Kopf. Er wird und wird nicht leiser. Ich werde ihn nicht mehr los. Ich bin völlig erschöpft, verzweifelt und hilflos…

Ich liege im Bett und versuche zu ergründen, was dieser Traum für mich bedeutet. Langsam dämmert es mir und ich beginne zu begreifen:

Ich BIN diese Frau. Und ich habe schreckliche Angst vor meinem eigenen Schmerz. Ich habe Angst und weil ich glaube, ihn nicht ertragen zu können, tue ich alles, um ihm nicht zu begegnen, ihn nicht spüren zu müssen. Meistens gelingt es mir, ohne davonzulaufen – indem ich ihm gegenüber eine Schonhaltung einnehme. Der Schmerz ist wie ein Splitter in meinem Fleisch, der bei jeder Bewegung weh tut. Also versuche ich, mich möglichst wenig zu bewegen. Dann tut’s auch nicht so weh. Und doch ist er präsent, immer da und mir sehr wohl bewusst. Darum bin ich ja so vorsichtig.

Schmerz hat viele Facetten

Ich weiß, dass ich nicht allein bin mit dieser Angst und dem Versuch, dem Schmerz in meinem Leben möglichst wenig Raum zu geben. Vor allem ist es ja nicht der EINE Schmerz, vor dem wir uns schützen wollen. Schmerz hat so unendlich viele Facetten und Töne.

Schmerz kann alles Mögliche sein. Es kann persönlicher Schmerz sein. Leiden, weil wir traurig sind oder krank oder weil wir jemanden Geliebtes verloren haben. Schmerz kann die Angst davor sein, dass etwas Schlimmes und Unvorhergesehenes in unserem Leben geschieht, dem wir nicht gewachsen sind. Es kann aber auch kollektiver Schmerz sein. Der Schmerz, den wir empfinden, wenn wir das Leiden anderer sehen, wenn wir das Leiden in der Welt sehen.

Schmerz ist das, was wir spüren können, wenn wir uns erlauben, berührbar und verletzlich zu sein. Uns anfassen zu lassen, von dem was ist. Es bedeutet, dass wir uns erlauben, die Kontrolle loszulassen und wahrhaftig zu spüren, auch, wenn es schwer ist.

Warum wir den Schmerz kontrollieren

Doch genau das tun wir nicht. Weil wir Angst haben. Wir haben Angst, die Kontrolle loszulassen und uns dann vollends im Schmerz zu verlieren und nie wieder rauszukommen. Wir haben Angst, dass der Schmerz uns lähmt und wir dann nicht mehr ins Bild unserer Gesellschaft passen, in der jede und jeder zu funktionieren hat. Schmerz ist in unserer Gesellschaft nicht gewünscht, ein Tabu. Aus gutem Grund.

Und was tun wir? Wir passen uns dem Narrativ einer rigiden, toxisch männlich geprägten Konsum- und Leistungsgesellschaft an. Und das fällt uns auch gar nicht schwer, weil wir ja von klein auf so geprägt sind. Wir haben gelernt, dass in einer Gesellschaft, in der Leistung und Funktionsfähigkeit den Wert eines Menschen ausmachen, Schmerz keinen Platz hat. Uns wird erzählt, dass wir keinen Grund haben, Schmerz zu spüren, solange wir funktionieren. Weil es uns dann angeblich gut geht. Uns wird versprochen, dass dann das Leben leicht und glücklich ist.

IST ES ABER NICHT. Weil wir eingeengt sind, weil wir nicht wir selbst sein können, so wie wir sind, sondern gelernt haben, uns anzupassen. Wir dürfen unseren Schmerz nicht zulassen, ihn nicht spüren, nichts aus ihm lernen.

Wie gehen wir mit dem Schmerz um?

Statt dessen versuchen wir alles, um dem Schmerz keinen Raum zu geben. Wir töten ihn ab. Verdrängen ihn, indem wir uns ablenken und betäuben. Wir essen zu viel, trinken zu viel, shoppen zu viel. Wir optimieren uns selbst bis zum Exzess. Wir tun tun tun, nur um ihn ja nicht zu spüren, aus Angst, dass er uns außer Gefecht setzt – und vielleicht tut er das im Sinne unserer Gesellschaft auch.

Durch den Schmerz in die Veränderung

Was wäre, wenn wir lernen würden, den Schmerz wieder zu spüren? Was wäre, wenn wir ihn ergründen? Lauschen, was er uns zu sagen hat?

Was, wenn wir merken, dass wir ihn ertragen können?

Unser Schmerz ist mehr als berechtigt. Er ist nichts, dessen wir uns schämen müssten. Wir sind nicht falsch, weil wir ihn spüren. Wir sind verdammt richtig. Es ist unser Schmerz. Wir dürfen ihn spüren und umarmen.

Der Schmerz ist ein Gefühl und wenn wir ihn zulassen, erlauben wir uns auch alle anderen Gefühle, die das Leben zu bieten hat. Er lässt uns wahrhaftig werden. Lebendig. Warm. Wenn wir uns hingeben, werden wir verletzlich und berührbar. Wir werden wach.

Wir werden allerdings nicht mehr im Sinne der Gesellschaft funktionieren. Wir werden nicht mehr manipulierbar sein, nicht mehr konsumieren als gäbe es kein Morgen. Wenn wir den Schmerz spüren, sind wir mitfühlend und verbunden mit uns und der Welt.

Und nur, wenn wir das sind, sind wir auch bereit etwas zu verändern – zu unserem eigenen Wohle UND zum Wohle aller.

Ich wünsche dir Mut und Kraft, deinen Schmerz zu spüren und in ihm den Motor zur Veränderung zu finden. Ich weiß, du kannst das.

Liebe Grüße,

Julia

P.S.

Um Veränderung, Mut und Kraft und noch viele Themen mehr geht es auch in meiner Facebook Gruppe „unverschämt lebendig und glücklich sein“.

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  • Keine Lust mehr darauf haben, sich noch länger klein zu machen und anzupassen.
  • Raus wollen, aus dem selbsterschaffenen goldenen Käfig.
  • Bereit sind, sich den Raum zu nehmen, der ihnen zusteht.
  • Bereit sind ein Leben zu leben, das sie wahrhaftig erfüllt und glücklich macht.
  • Lust darauf haben, mit ihrem So-Sein in der Welt zu strahlen und wirksam zu sein.

Ich freue mich, dich dort zu treffen.

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